Die Zukunft von Add-Appters

22. Mai 2014

Vor ein paar Jahren veröffentlichte Marc Andreesson einen Artikel im Wall Street Journal mit dem Titel „Why Software Is Eating The World”  Zwar verändert sich unsere Welt durch Software und Algorithmen sehr schnell, doch im Bereich der Gesundheitspflege und der Medizin ist dies noch lange nicht genug der Fall. Auch wenn es inzwischen im Bereich mobile Gesundheit über 100.000 Software-Apps für iOS- und Android-Smartphones gibt, besitzen die meisten von ihnen nur einen begrenzten Funktionsumfang. Zwar gibt es Ausnahmen, seit Apps wie My Fitness Pal und Lose It vielen beim Abnehmen helfen und eine Konkurrenz zu der langjährigen Vorherrschaft von traditionellen Akteuren wie Weight Watchers bilden. Und es gibt Apps, die einfach den Fotoapparat des Smartphones nutzen, um ein Foto von einer Hautverletzung oder einem Ausschlag zu machen, und dadurch eine Ferndiagnose ermöglichen – nicht notwendigerweise von einem Arzt, weil in vielen Fällen auch Algorithmen dies sehr präzise tun können.

Meistens werden die großen Fortschritte im mobilen Gesundheitswesen allerdings „Adds“ oder Hardware erfordern, die drahtlos mit dem Smartphone verbunden sind. Diese „Adds“ können tragbare Geräte sein, wie die vielen Aktivitäts-Tracker, aber auch Armbänder, die den Hydrationszustand oder einen drohenden Anfall feststellen können oder den Blutdruck und andere Vitalwerte überwachen. Sie können die Form einer Halskette haben, um physiologische Daten des Herzens zu erfassen, oder eines Strumpfes, um die Vitalwerte eines Neugeborenen aufzuzeichnen. Viele sind Pflaster, die an der Haut haften und das Elektrokardiogramm für den Herzrhythmus und eventuell den Fluidstatus des Körpers kontinuierlich überwachen können.
Wichtig ist aber, dass viele solcher „Adds“ überhaupt nicht tragbar sind. Nehmen wir zum Beispiel die Online-Waage oder die drahtlose Blutdruckmanschette für das Handgelenk, die einfach für einzelne Messungen verwendet werden, deren Daten jedoch durch die App gesammelt und in Grafiken dargestellt werden. Vor Kurzem wurden Bodenplatten erfolgreich genutzt, um den Gang von älteren Menschen mit Parkinson oder Gleichgewichtsproblemen zu verfolgen und ein sicheres Gehen zu fördern. Dann gibt es eine ganze Kategorie von „Adds“, die sich schnell verbreiten, mit denen Labortests durch das Smartphone ausgeführt werden. Dies könnte ein Blutzucker-Messgerät sein, das zum Beispiel am Boden des Smartphones angebracht wird und das spezielle Gerät ersetzt, das bisher separat verwendet wurde. Es gibt ähnliche Adds, die für fast jeden Routine-Bluttest entwickelt werden, bei dem ein Tropfen Blut verwendet wird, und die den geradezu explodierenden Bereich der Mikrofluidik nutzen. Über die Labortest-Adds hinaus gibt es Pastillen, die kleinste Chips enthalten, um das Anhaften zu überwachen. Sie sehen also: es gibt Hunderte von Hardware-Adds zum Smartphone.

 

Um eine Verwechslung auszuschließen, habe ich den Begriff „Add-Appters“ geprägt, weil immer noch viele meinen, dass es bei mobiler Gesundheit und Medizin nur um Software-Apps geht. Dieser neue Begriff soll ausdrücken, dass nur die Verbindung von Software mit Hardware dieses spannende Potenzial für medizinische Fortschritte besitzt. Damit Add-Appters in der Zukunft zu den Gewinnern gehören, brauchen wir auch Software, die all die von der Add erfassten Daten verarbeitet, damit die Träger und Ärzte die Informationen unmittelbar auf einem Bildschirm sehen und interpretieren können. In diesem Bereich liegen wir derzeit noch etwas zurück, denn es mangelt uns nicht an Hardware-Sensoren und Apps, doch viele dieser Geräte eignen sich nicht besonders gut für die Visualisierung von Daten. Wenn sich dieser Bereich so weiterentwickelt wie bisher, werden die Individuen viele verschiedene Sensoren tragen oder nutzen und ein übersichtliches Dashboard benötigen, auf dem alle Daten schnell angezeigt werden. Ferner werden optimale Software- und Hardware-Verbindungen die Grundlage für maschinelles Lernen bilden, damit Ihre persönlichen Inhalte zu prognostischer Analyse genutzt werden, um Ihre Gesundheit zu verbessern. Und stellen Sie sich nur vor, dass viele Menschen mehrere solche Sensoren tragen oder nutzen und sich ein übersichtliches Dashboard wünschen, auf dem alle Daten angezeigt werden.

Wenn wir uns wieder auf den einflussreichen Artikel von Marc Andreesson beziehen, so würde ich sagen, dass „Add-Appters“ für die Zukunft der Medizin wirklich entscheidend sein könnten. Sie werden sie nicht „aufessen“, doch diese neue drahtlose Welt wird zu einer tiefgreifenden Veränderung des Gesundheitswesens der Zukunft führen.

 

Eric_TopolEric J. Topol, MD
Eric J. Topol, MD
Chief Academic Officer, Scripps Health
Kardiologe, Scripps Clinic
Professor für Genomik, The Scripps Research Institute