Viele Menschen träumen davon, ihren Job zu kündigen und so nur noch sich selbst Rechenschaft ablegen zu müssen. Doch wenige tun dies auch wirklich. Leidenschaftliche Sportler und gesundheitsbewusste Menschen fühlen sich da mitunter in einem Bürojob noch mehr eingeengt. Deshalb haben wir uns mit einer Frau unterhalten, die den Sprung in die Selbstständigkeit auch tatsächlich geschafft hat. Mal sehen, was wir von ihr lernen können.
15 Jahre lang war Melissa Morin (im Bild) Programmplanerin und Managerin einiger der größten Fitnessunternehmen in New York City. Doch sie entschloss sich, ihren Schreibtisch gegen ihr eigenes, handfestes Fitnessstudio einzutauschen. Im Oktober 2014 wurde ihr Traum dann wahr: Clarity Fitness, ein erlesenes Studio in Union City, New Jersey, etwas außerhalb Manhattans, öffnete seine Pforten.
Hier erfahren Sie mehr über die Schwierigkeiten, Highlights und andere Begebenheiten auf Morins Weg von einer einfachen Büroangestellten zur unternehmerischen Sportskanone.
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Withings: Warum wollten Sie Ihr eigenes Fitnessstudio eröffnen?
Morin: Ich habe einen Bachelor in Ernährungswissenschaften und einen Master of Science in Sportphysiologie gemacht. Nach fast 15 Jahren in der Wirtschaftswelt wurde mir einfach klar, dass ich mich langsam aber sicher vom Kern meiner Ausbildungsprinzipien entfernt hatte: Ich wollte Menschen helfen. Ich hatte genug von langen Bürotagen, an denen ich an meinem Schreibtisch Tabellen aufstellen und dafür sorgen musste, dass alles glatt läuft. Ich wollte einfach wieder mehr mit Mitgliedern, Kunden und Menschen zu tun haben, denen ich Hilfe bieten konnte. Außerdem wollte ich ein Projekt schaffen, an dem ich zusammen mit meinem Mann arbeiten konnte. Meinem Mann Teno ist Sport und Gesundheit sehr wichtig und er kann toll mit Kunden umgehen. Es hat einiges an Überwindung gekostet, meinen Beruf aufzugeben und all meine Ersparnisse in Clarity Fitness zu investieren. Nach 10 Jahren in Union City/Weehawken in New Jersey war mir aber auch klar, dass es hier einen Mangel an vergleichbaren Unternehmen gab. Alle anderen Boutique-Fitnessstudios sind in Hoboken oder New York City, deshalb wollten wir ein Studio schaffen, das Mitglieder leicht erreichen konnten (zu dem sie sogar laufen konnten!) und das zudem erschwinglich und effektiv ist.
Wie lange mussten Sie nach einem passenden Ort suchen? Wann konnten Sie das Studio eröffnen?
Überraschenderweise hat das alles nur wenige Monate gedauert. Zuerst haben wir einen alten Friseurladen übernommen, der um die Ecke von unserem jetzigen Studio ist. Ich sah eines Tages, dass die Vormieter umzogen, und ging einfach hinein. Es dauert nicht einmal eine Woche und schon hatte ich den Mietvertrag in der Hand. Das war die wohl nervenaufreibendste und aufregendste Woche meines Lebens!
Wer hat Ihnen geholfen? Wie wurden Sie unterstützt?
Am meisten haben mir mein Vater und mein Mann auf dem Weg hierher geholfen. Ich hatte schon sehr Glück, denn mein Vater ist nicht nur extrem begabt und kreativ, sondern auch noch Tischler von Beruf. Er hat mir die Faltwand gebaut, den Empfangstresen, die Stangen … einfach alles, was das Studio besonders macht. Mein Mann Teno stand von Anfang an hinter mir und bringt viel Zeit fürs Management und Marketing des Studios auf. Meine liebe Mutter darf ich natürlich auch nicht außer Acht lassen. Sie ist einfach immer von allem, was ich tue, begeistert. Einmal kam sie überraschend vorbei und nahm an einer Fitnessstunde an der Stange teil. Dafür ist sie anderthalb Stunden gefahren, um an einem Montagabend um 20 Uhr ins Fitnessstudio zu gehen. Und Sie war einfach klasse!
„Ich wollte einfach wieder mehr mit Mitgliedern, Kunden und Menschen zu tun haben, denen ich Hilfe bieten konnte.“
Was sind Ihrer Ansicht nach die Vorteile Ihres Fitnessstudios gegenüber größeren Fitnessstudio-Ketten?
Wir bieten beispielsweise fünf Formate an: Zumba, Trimm-Dich-Räder, Fitness an der Stange, HIIT (Zirkeltraining) und Fusion (Yoga, Pilates, Krafttraining). Um seinen Lebensstil zu ändern, muss man auch die Bewegungsarten ab und zu wechseln. Bei Clarity Fitness können unsere Kunden das volle Programme nutzen, anstatt wie bei anderen Studios zwischen nur ein bis zwei Formaten wählen zu müssen. Außerdem bieten wir Kunden am Ende jedes Kurses ein erfrischendes Eukalyptustuch. Das hört sich zwar einfach an, aber unsere Kunden können gar nicht genug davon bekommen. Nach ordentlichem Schwitzen wirkt das Tuch einfach unglaublich entspannend und beruhigend.
Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem Weg?
Ich glaube, jeder Kleinunternehmer muss sich im ersten Jahr großen Herausforderungen stellen. Nach einer erfolgreichen Woche fühlt man sich einfach herrlich, aber eine schlechte Woche ist unsagbar deprimierend. Der erste Sommer war da besonders schwierig. Im Sommer nimmt das Geschäft aller Fitnessanbieter generell ab. Wir hatten uns aber so gut wie möglich darauf vorbereitet.
Wie locken Sie Neukunden am besten an?
Interessierte können bei uns kostenlos an einer Probestunde teilnehmen. Auf diese Weise gewinnen wir 90 % unserer Neukunden. Ich denke, Neukunden ist es wichtig, einen Kurs und die Atmosphäre im Studio vorab kennenzulernen, um sich dann zu einer Mitgliedschaft zu entscheiden. Und glückliche und zufriedene Kunden empfehlen uns natürlich häufig weiter.
Was ist das Beste daran, Herrin über Ihr eigenes Fitnessstudio zu sein?
Ich kann den Ablauf endlich so gestalten, wie ich ihn möchte. Niemand zwingt mir seine Meinung auf, ohne dabei meine zu beachten. Damit hatte ich in der Welt der großen Fitnessunternehmen die meisten Probleme. Man muss seine Arbeit tun und ein Unternehmen führen, aber letztendlich befolgt man nur die Anweisungen von Vorgesetzten. Ich war noch nie gut darin, Anweisungen zu befolgen, die ich nicht vertreten konnte. Jetzt bin ich selbst für alle unternehmerischen Entscheidungen zuständig. Die sind zwar nicht immer perfekt, aber das ist schon OK — Ich kann Entscheidungen ja auch wieder ändern!
Würden Sie Ihre Marke gerne zu einer Unternehmenskette ausweiten?
Derzeit bin ich voll und ganz damit beschäftigt, mehr Kunden fürs Studio zu gewinnen und weitere Trainer einzustellen, um mehr Kurse anbieten zu können. Natürlich träumt jeder Unternehmer davon, zu expandieren, aber auf kurze Sicht hin möchte ich mich auf dieses Studio hier konzentrieren.
Worauf sind Sie stolz?
Auf meine Kunden. Menschen dabei zuzusehen, wie sie ihre Ziele erreichen und sich dadurch besser fühlen, ist das schönste Geschenk.
Welchen Rat würden Sie zukünftigen Fitnessstudiobetreibern geben?
Hinter der Frage steckt jetzt aber Einiges! Der wichtigste Ratschlag ist wohl, dass man die Zielkundschaft und somit die eigene Marke kennen muss. Viele Studios fangen mit einem bestimmten Programm an und entwickeln sich dann doch irgendwie zu einem halben Tanzstudio mit Babysittern und Yogastunden usw. Bleiben Sie Ihrer Vorstellung treu. Der Rest ergibt sich dann ganz von selbst.
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Vielen Dank an Melissa für das Interview! Clarity Fitness finden Sie auf Twitter: @ClarityFit