1995 machte Schauspielerin Elizabeth Berkley die Kunst des Poledance durch den Kult-Klassiker „Showgirls“ salonfähig. Dem Poledance haftet zwar nicht mehr das durch und durch verruchte Image von früher an, doch als Fitnesstraining treibt es einem allemal die Röte ins Gesicht. Und das nicht nur wegen der Anstrengung: Je weniger man bei diesem Sport trägt, desto besser. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, warum Frauen weltweit die Tanzstange zum Personal Trainer erkoren haben.
Goddess Fitness Dance im kalifornischen Sherman Oaks nennt sich mit Stolz das „erste Poledance-Fitnessstudio“. Es hat es sich auf die Fahnen geschrieben, Teilnehmerinnen freundlich willkommen zu heißen, damit sie ihre innere Göttin entdecken und sich gleichzeitig eine Hammerfigur antrainieren. Ich war schon sehr gespannt auf den Variété-Poledance im Broadway-Stil, für den ich mich angemeldet hatte.
Beim Betreten des Fitnessstudios kam ich mir vor, als ob ich mich auf das Set von Moulin Rouge verlaufen hätte. Rote Vorhänge waren über die rosa Wände drapiert. Die Beleuchtung der Tanzfläche lieferten eine Diskokugel und zwei Kronleuchter; zwei Leitern mit knallpinkem Flauschbezug führten an den Wänden hoch ins Nirgendwo. Vor einem edlen Sofa war ein Beistelltischchen im Rokoko-Stil aufgebaut. Und natürlich glänzten im Mittelpunkt die acht Tanzstangen. Wenn Hello Kitty ein Bordell betriebe, würde wahrscheinlich so etwas Ähnliches dabei herauskommen.
Was die verführerische Komponente dieses Work-outs angeht, war ich zu Anfang schon etwas zurückhaltend. Fitnesstrainerin Alana Chauvront (siehe Bild) begrüßte mich aber mit ihrer herzlichen, humorvollen Art, sodass ich mich schon bald willkommen fühlte. Die Stange, die ich mir ausgesucht hatte, trug den Namen „Raphael“. Alana erklärte, ich dürfe die Stange auch gerne umbenennen, doch ich blieb lieber bei ihrem Taufnamen.
Ich kann auf eine 30-jährige Tanzkarriere zurückblicken, nahm also an, der Variété-Poledance im Broadway-Stil würde mich kaum ins Schwitzen bringen. Doch weit gefehlt! Nach dem Aufwärmen fingen wir an, unsere Körpermuskulatur in Schwung zu bringen. Eine Übung bestand beispielsweise darin, sich auf dem Boden liegend hinter dem Kopf an der Stange festzuhalten und die ausgestreckten Beine langsam zu heben, um die untere Bauchmuskulatur zu trainieren. Das Gefühl war auf brutale Weise toll.
Dann standen wir wieder auf, um eine Übung an der Stange mithilfe eines Stuhls kennenzulernen. Die Stuhl-Übungen liefen bei mir einfach spitze, doch ehe ich so richtig an Selbstbewusstsein gewonnen hatte, ging es auch schon an die Stange. Mir wurde schnell klar, wie unglaublich stark man sein muss, um sich auch nur eine Sekunde lang an der Stange halten zu können. Ganz zu schweigen von Tricks, Drehungen und Posen. Und bei alldem soll man sich auch noch graziös und sexy bewegen!
Bei Alana und einigen ihrer Schülerinnen sah das alles so kinderleicht aus, obwohl jede Bewegung einem steife Arme und Handgelenke, Rumpfstabilität, Gleichgewicht und Flexibilität abverlangt. Mir wurde im Nachhinein klar, dass ich so einige Anfängerfehler gemacht hatte. Hier sind einige der größten Herausforderungen für Poledance-Anfänger:
SCHWEISSHÄNDE: Meine Hände waren so rutschig, dass ich mich kaum festhalten konnte. Als dies der Trainerin schließlich auffiel, bot sie mir Handgel an, das die Hände griffiger und weniger schwitzig macht.
DIE GROSSE KLEIDERFRAGE: Mein Fehler bestand darin, zu viele Klamotten anzuhaben. Die Arme und Beine sollten so nackt wie möglich sein, da man die Stange direkt spüren muss, um Halt zu bewahren.
HÖLLISCHER HALT: Mir wurde leider zu spät klar, dass ein fester Griff an der Stange auch die Rotationsgeschwindigkeit erhöht. Ich klammerte mich also auf Biegen und Brechen an der Stange fest und drehte mich so immer schneller. Hätte ich zwischen meinem Oberkörper und der Stange etwas Freiraum gelassen, hätte ich die Geschwindigkeit verringern und so meinen Fall abdämpfen können.
GROSSE AUGEN MACHEN: Dummerweise hatte ich meine Brille auf, anstatt Kontaktlinsen zu tragen. Ich hätte sie im rechten Moment abnehmen und dabei, wie eine sexy Bibliothekarin, noch meinen Pferdeschwanz lösen sollen. Stattdessen fiel mir die Brille einige Male von der Nase oder knallte beim Übergang zu neuen Moves gegen die Stange.
DAS SCHWÄCHSTE GLIED: An meinem Körper ist fast nichts winzig – außer meine Handgelenke. Und das kommt bei diesem Sport ganz ungelegen. Meine Handgelenke waren nicht stark genug, meinen Körper bei Twists zu stützen.
Trotz all meiner persönlichen Probleme hatte ich unglaublich viel Spaß und hab obendrein noch ein enormes Herz-Kreislauf- und Muskeltraining mitmachen können. Dies hatte ich nicht zuletzt meinem Partner Raphael zu verdanken, der mich bei meinem Jungfernflug unter- bzw. gestützt hat. Beim Cool-down sprach uns Alana so toll zu, dass die Mädels und ich ganz stolz auf unsere Leistung waren.
Seit diesem Kurs verstehe ich endlich die Kommentare im populären YouTube-Video „Why I Dance“. Die Poledancer im Film erklären, warum sie diesen Sport so lieben. „Weil ich meinen Körper liebe“ oder „Weil es ein Hammer-Work-out ist“ sind einige der Kommentare. Eine der Co-Produzentinnen des Films, Amy Main, erklärte Shape Magazine: „Poledance schafft so vieles gleichzeitig: Es ist nicht nur ein wahnsinniges Krafttraining für die Rumpf- und Oberkörpermuskulatur, sondern auch noch sexuell befreiend, ein emotionales Ventil und bietet die Möglichkeit, sich auszuleben und selbst zu entdecken.“