Nach 22 Wochen Training, einer Verletzung, zahllosen frühen Starts in den Morgen und langen Samstagsläufen hat Rachel es geschafft und startete beim 2016 Philadelphia Marathon. Lesen Sie weiter und erfahren Sie, wie genau ein Marathontag abläuft.
In der Woche vor dem Marathon war ich ein einziges Nervenbündel. Jeder, der schon einmal ein Langstreckenrennen gelaufen ist, weiß, dass das Schlimmste an dieser letzten Woche ist, dass man die Trainingskilometer herunterschraubt und dem Körper vor allem Ruhe gönnt. Für Langstreckenläufer ist das Laufen eine Art der Stressbewältigung, und wenn man bewusst auf das Laufen verzichtet, fühlt es sich besonders hart an.
“Trotz meiner inneren Unruhe und ungewohnt emotionalen Verfassung habe ich die Zeit bis Freitagabend relativ gut überstanden. Mein Flug nach Philadelphia ging am nächsten Morgen um 9 Uhr. Ich packte meine Sachen, und während ich mich durch meine ellenlange Liste mit allerlei wichtigen Dingen durcharbeitete, hatte ich immer wieder Panikanfälle, etwas zu vergessen. Am Ende packte ich viel mehr Laufoutfits ein als nötig. Ich ging zwar zeitig genug schlafen, doch vor lauter Nervosität wälzte ich mich bis 1.30 Uhr unruhig hin und her.
Als ich um 6 Uhr aufstand, fühlte ich mich alles andere als fit. Man sagt ja, dass eine erholsame Nacht vor dem großen Rennen gar nicht so wichtig sei, denn die benötigte Energie holt sich der Körper in der Nacht vor dieser. Zwei Nächte vor dem Rennen hatte ich nur 4,5 Stunden geschlafen. Ich machte mir Sorgen, in der folgenden Nacht nicht genügend Schlaf zu bekommen und dann am Renntag saft- und kraftlos antreten zu müssen.
Doch zum Glück hat alles geklappt. Nach einem entspannten Flug holte ich beim Race Expo mein Lauftrikot ab und verbrachte den Abend dann ganz ruhig mit Netflix und Brezeln, bis ich schließlich kurz nach 21 Uhr erschöpft einschlief.
Als mein Wecker um 5 Uhr klingelte, war ich sofort hellwach und fühlte mich frisch und erholt. Ich war so erleichtert, dass ich endlich gut geschlafen hatte, dass sich meine ganze Nervosität in Luft auflöste. Ich trank Unmengen an Wasser, zog mich an und machte mich für das Rennen fertig. Bei einem Kaffee begann ich, meine Beine zu massieren und zu dehnen. Nach noch mehr Kaffee und einem Frühstück machte ich mich um 5.50 Uhr auf den Weg. Draußen war es noch stockdunkel. Wir liefen etwa 5 Minuten bis zur Sicherheitskontrolle, wo ich eine große Menschentraube erwartete. Aber es standen nur einige wenige Läufer herum und ich ging direkt zur Rennstrecke. Ich war viel zu früh dran!”
Es war sehr windig an diesem Tag, und am Morgen war es -1 Grad kalt. Zum Glück hatte ich mir für 15 USD ein hässliches Target-Sweatshirt zum Drüberziehen gekauft, das mich nun beim Warten schön warm hielt. Kurz nach 6.30 Uhr füllte sich der Startbereich und die Startgruppen wurden aufgestellt. Meine Startgruppe war durch graue Fahnen markiert, in dieser Gruppe betrug die erwartete Laufzeit bis 4 Stunden. Kurz vor 7 Uhr setzte ich mich mit angezogenen Knien auf den Gehsteig, um meine Glieder noch warm zu halten.
Nach meiner Verletzung war mein neues Ziel, das Rennen in unter 4 Stunden zu schaffen, das sind etwa 9:09 Minuten pro Meile, einschließlich Trinkstopps (die ich immer gehend absolvieren muss, denn ich kann nichtgleichzeitig laufen und trinken). Ich hatte mir vorgenommen, das Rennen langsam anzugehen und dann in einen guten Rhythmus zu finden, ohne mir allzu viele Gedanken über meine Zeit zu machen. Ich würde abwarten und erst später in mich hineinhorchen, ob meine Zielzeit realistisch war.
Und dann war es endlich soweit! Ich zog mein Sweatshirt aus, warf es weg (die Rennleitung sammelt und spendet die Kleidung) und atmete mehrmals tief ein und aus. Es waren ziemlich viele Läufer in den Startgruppen vor mir, und es dauerte fast 15 Minuten, bis ich endlich an der Startlinie stand. Doch bevor ich noch lange nachdenken konnte, begannen die Leute vor mir zu laufen. Als ich loslief, war mir so kalt, dass ich meine Füße nicht mehr spürte. Es dauerte einige Meilen, bis mein Körper wirklich warm war. Und dann sah ich nach einer halben Meile, dass die 4-Stunden-Pacegruppe an mir vorbeiflog und nah an der 9-Minuten-Meile lag. Ich konnte sie nur noch von hinten sehen. Ich hoffte, ich würde sie am Ende des Rennens wiedersehen, doch mir war klar, dass die Chancen eher schlecht standen.
Mein größtes Problem war, dass ich meine Zeit schlecht einschätzen konnte. Manchmal war ich nahe an 10 Minuten dran, dann wieder an 8:30 Minuten, aber ich merkte keinen Unterschied. Mein Körper war im ständigen Wechsel zwischen Energie- und Adrenalinhoch und einem Gefühl von Müdigkeit, Überforderung und Durst. Mir geht es oft so, dass ich einige Meilen brauche, um wirklich in ein Rennen zu finden. Ich versuchte also, ruhig zu bleiben und die Anfeuerungsrufe der Zuschauer, die Musik und witzigen Schilder an der Strecke zu genießen.
Zeitcheck bei 10 km: 58:36 mit einer Zeit von 9:26 Minuten pro Meile
Schon bald war die erste Stunde geschafft und ich fühlte mich langsam besser. Nach Meile 7 aß ich meine ersten 3 Datteln und kurz danach begann der hügelige Streckenabschnitt. Der Philly Marathon ist größtenteils flach, doch bei Meile 9 erwartete uns ein unerwartet langer und schwieriger Anstieg. Viele Läufer begannen etwa nach der Hälfte des Anstiegs zu gehen, doch ich wollte weiterlaufen. Ich normalisierte meine Atmung, als es wieder bergab ging und freute mich, dass dieser Teil der Strecke geschafft war.
Ich war nun bei Meile 11 und musste mir ein neues Miniziel setzen, auf das ich mich konzentrieren konnte. Ein Marathon ist mental enorm hart und nur machbar, wenn man sich das Rennen in viele einzelne Abschnitte unterteilt. Mein Verlobter wollte bei Meile 14 stehen und ich legte meinen ganzen Fokus darauf, es bis dahin zu schaffen, damit ich sehen konnte, wie er mich anfeuerte.
Zeitcheck nach der Hälfte des Marathons: 2:02:59 mit 9:03/Meile Segmentgeschwindigkeit (9:17 Gesamtdurchschnitt)
Er stand jedoch leider auf der anderen Straßenseite und ich habe ihn nicht gesehen. An dem Punkt nahm auch der Wind deutlich zu. Da er mir recht stark entgegen wehte, wurde ich langsamer. Ich blieb positiv, denn ich war jetzt offiziell im zweiten Teil des Rennens! Und das ist der Zeitpunkt, an dem man sich langsam versucht vorzustellen, wie es ist, die Ziellinie zu überqueren.
Bei diesem Rennen läuft man zwischen Meile 14 und 20 auf einer Straßenseite, kehrt dann um und läuft auf der anderen Straßenseite wieder zurück bis zum Ziel. So sah ich kurz nach Meile 14, bei etwa 2 Stunden 10 Minuten, die Spitzenläufer auf der anderen Straßenseite, wie sie Richtung Ziel um die besten Platzierungen liefen. Wenn das nicht motiviert!
Doch die Meilen 14 bis 20 sind in einem Marathon eine ganz besondere Herausforderung. An diesem Punkt beginnen meistens die Schmerzen und dein Körper fleht dich an, anzuhalten. Da die Ziellinie noch in weiter Ferne liegt, muss man mental sehr stark sein, um nicht aufzugeben. Mein Problem war jetzt, dass mein rechter Oberschenkelmuskel und meine Hüfte anfingen zu schmerzen, nachdem ich in den Wochen vor dem Rennen schon einige Probleme damit hatte. An meinen Fußsohlen hatten sich Blasen gebildet, die bei Meile 16 etwa wirklich unangenehm wurden. Diesen Rennabschnitt schaffte ich, indem ich mir kleine Zwischenziele setzte, z. B. bis zur nächsten Wasserstation oder zur nächsten vollen Meile zu laufen, wo ich wieder ein paar Datteln essen konnte. Nicht zu unterschätzen war meine motivierende Musik, die mich von Gedanken wie „Ich will aufhören“ ablenkte.
Zeitcheck bei 30 km: 2:53:04 mit 9:20/Meile Segmentgeschwindigkeit (9:22 Gesamtdurchschnitt)
Endlich sah ich den Wendepunkt bei Meile 20 und verspürte eine unglaubliche Freude. Bei meinem ersten Marathon war Meile 20 der Punkt, an dem mich meine Kräfte verließen und ich mich danach nur noch mit Mühe ins Ziel schleppen konnte. Doch jetzt war Meile 20 ein Grund zur Erleichterung. Ich fühlte mich noch fit, und obwohl meine Beine und Füße schmerzten, konnte ich gut weiterlaufen. Jetzt waren es nur noch 6 Meilen bis zum Ziel und ich konnte mir wirklich vorstellen, es zu schaffen. Ich musste mir meine Kräfte nicht mehr einteilen. Jetzt konnte ich mich voll auspowern!
Bei Meile 21 machte ich eine Trinkpause an der Versorgungsstelle. Ich wusste, dies würde mein letzter Stopp sein. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt meine exakte Zeit nicht, denn nach dem Überqueren der Startlinie hatte ich mir nicht gemerkt, wie viele Minuten schon offiziell vergangen waren. Ich schätzte jedoch, dass ich mein 4-Stunden-Limit einhalten könnte, wenn ich jetzt einen Gang hochschalten und nicht mehr an den Wasserstationen anhalten würde. Ich zog mein Tempo an auf 8:30 Minuten/Meile und konzentrierte mich voll darauf, dieses Tempo beizubehalten.
Meile 22, dann Meile 23. Und dann, kurz vor Meile 24, sah ich die 4-Stunden-Pacegruppe vor mir. Vor lauter Freude und Erleichterung streckte ich die Hände in die Luft. Ich sah wahrscheinlich wie eine Verrückte aus, wie ich da bei Meile 24 grinste, während alle anderen Läufer mit zusammengebissenen Zähnen und schmerzverzerrten Gesichtern stoppten oder humpelten und ihre festen Waden oder Oberschenkel massierten. Wie ein Laser behielt ich den Paceläufer im Blick, bis ich ihn bei Meile 24,5 schließlich überholte. Ich zog das Tempo noch mehr an, bis ich endlich auf der Zielgeraden war. Mit einem Schluss-Sprint (oder dem, was man zu diesem Zeitpunkt als Sprint bezeichnen konnte) überquerte ich triumphierend die Ziellinie.
Sobald ich stehenblieb, fühlten sich meine Beine unglaublich fest und schwer an. Ich humpelte durch den Zielbereich, holte meine Medaille ab, nahm mir Wasser und Snacks und machte mich zum vereinbarten Treffpunkt auf, um meinen Verlobten zu sehen. Er verkündete mir, dass ich eine Laufzeit von 3 Stunden, 59 Minuten und 40 Sekunden hatte. Ich hatte die 4 Stunden um 20 Sekunden unterboten! Ich glaube, ich kam etwa eine knappe Minute vor der 4-Stunden-Pacegruppe ins Ziel. Der Pacer hatte seine Zeit wahrscheinlich nicht ganz erreichen können. Mir tun all die Leute in dieser Gruppe leid, die davon ausgegangen waren, unter 4 Stunden zu laufen und am Ende vielleicht einige Sekunden oder Minuten über der Zeit ins Ziel kamen. Aber ich war so froh, dass ich mein Tempo immer mehr erhöhen konnte, auch als ich schon an der Gruppe vorbei war. Andernfalls hätte ich meine Zielzeit nicht erreicht.
Zeitcheck im Ziel: 3:59:40 mit 8:47/Meile Segmentgeschwindigkeit (9:08 Gesamtdurchschnitt)
Die Strecke des Philadelphia Marathon ist wahnsinnig toll und die Unterstützung durch die begeisterten Zuschauer war einmalig. Ich bin mit meinem Lauf sehr zufrieden und freue mich, dass ich hier antreten konnte. Trotz meiner Verletzung, einem Monat Zwangspause vor dem Rennen und zahlreichen Schmerzen und Wehwehchen im Training war mein gesamtes Rennen vom Start bis zum Ziel extrem stark. Trotz heißen Sommertagen, auswärts verbrachten Wochenenden, vielen Reisen, Krankheit und schlaflosen Nächten habe ich mein Training durchgezogen und die Laufzeit meines ersten Marathons um 21 Minuten unterboten.
Ich hoffe, dass diese Marathon-Serie eine Inspiration für Sie ist. Vielleicht sind Sie so motiviert, dass Sie sich selbst zu einem Marathon melden, ab jetzt jede Woche mehrmals laufen gehen oder ihre Fitness verbessern möchten. Ich wünsche mir für Sie, dass auch Sie entdecken, wie viel der Sport einem gibt. Wenn Sie an sich glauben, werden Sie überrascht sein, was Ihr Körper zu leisten in der Lage ist.